Freitag, 25. September 2015
#6 von Systemausfällen und dem Blick aus dem Fenster
Der Tag gestern begann wie er beginnen musste..Die Migräne der letzten Tage war noch so präsent wie die ganze Zeit schon und das dumpfe Gefühl, dass der Tag so garnicht prickelnd wird machte sich breit.


Da mein Lieblingsplatz besetzt war musste ich wandern und wurde von einer Kollegin zu einem Platz hinter ihr beordert. Hey! Du gehört jetzt offiziell dazu. Ein schönes Gefühl, muss ich sagen. Ich kenne zwar nur die wenigsten mit Namen aber es fühlt sich gut an, wenn man glaubt dazu zu gehören.

Ich habe nie viel wert auf Arbeitsbekanntschaften gelegt und es immer abgelehnt, außerhalb dessen was sein muss mit ihnen zu tun zu haben. Aber hier ist es anders. Niemand mit dem ich mich nicht verstehe, zu manchen sogar so viel Sympatie, dass man sich ehrlich freut, wenn sie da sind.

Ich bezog also meinen neuen Platz, die Lichtempfindlichkeit machte es mir zwar die erste Zeit etwas schwer aber ich gewöhnte mich dran. Bekommen wir doch alles hin, sind doch Callcenter-Agenten.
Es war einiges los, dennoch blieb immer wieder Zeit für ein wenig Plauderei mit den Platznachbarn. 15 Uhr.. der Anfang vom Ende. Ein Systemausfall nach dem Anderen, gespräche brachen ab, Ton weg, zeitweise kam garnicht erst ein Anruf durch.

17 Uhr: Kunden rufen an, beschweren sich, dass sie weg gedrückt wurden, man erklärt, dass es Systemausfälle gab und so weiter. Ewige Diskussionen in die man sich reinsteigern kann und auch die Bitte mit der Bestellung anzufangen wurde nur zu gerne abgelehnt. Wir sind gespannt.

Heiter bis wolkig mit Aussicht auf Feierabend war angesagt.

Meine Top 3.. und ja.. ich muss es einfach in diesem Format machen.

Vorweg ein netter Kunde, dessen Namen ich gerade nicht vorliegen habe, wollte Hosen für seine Frau bestellen. Lieber Kunde: Wenn eine Artikelnummer auf einem Zettel steht, dahinter eine Größe und ein Preis, dann nenn mir doch bitte einfach Nummer und Größe, es ist doch nicht nötig sich die ganze Größentabelle erklären zu lassen. Aber gut.. weiter im Text.


Wie wir uns alle vorstellen können ist es sehr sinnvoll Donnerstags eine Bestellung auzugeben, wenn man die Ware Samstags braucht. Ist es zudem Donnerstag Abend wird es evtl auch mit Eilservice ein wenig knapp. Eilservice, nicht 24h Lieferung. Die bieten wir nämlich nicht an.
Es ist schwer, Waren in 3 Tagen zuzustellen, wenn sie nicht auf Lager ist. Es ist schwer, Kunden davon zu überzeugen, dass man keinen Einfluß auf die Lieferzeit hat, besonders wenn sie davon überzeugt sind, dass "Der Kollege letztens das ja auch gemacht hat" ... den Kollegen würd ich gern mal sprechen.. ehrlich.

Ein weiterer Fall der mir am Abend noch in die Leitung kam war Frau M. Sie war ein wenig angesäuert und wollte wissen was diese Sch§$%" soll. Nach abgleichen der Kundennummer stellen wir fest, dass das Konto schon seit 25 Jahren läuft. Laut System wurde vor einigen Tagen eine Hose bestellt, die nun aber später geliefert werden soll, darüber wurde sie schriftlich informiert.
Problem nur, wenn die Kundin behauptet garkein Kunde zu sein und schon garnicht bei uns bestellt hat. Das wurde natürlich mit erklärungen unterlegt, weil sie nur ganz bestimmte Hosen trägt und sich sicher keine bei einem Versandhaus bestellt, wenn ihre Lieblingshosen bei ihr in der Stadt zum halben Preis zu der bestellten zu kaufen sind... gut.. stornieren wir. Die Frage ist nur: Wer hat bestellt? Woher hat diese Person die Kundennummer, ihre Anschrift und das Geburtsdatum, das ich mir vorsorglich habe alles sagen lassen. Daten-/Identitätsdiebstahl? Polizei?.. guter Plan.



Eine Andere, in ähnlich angesäuertem Tonfall brachte mir hingegen ein Schmunzeln aufs Gesicht. Sie beschwerte sich über unfreundliche Kollegen und auch darüber sie sei weggedrückt worden. Meine Antwort, dass es auch an den aktuellen Systemproblemen liegen konnte übergang sie glücklicherweise. Auf ihre Frage hin, ob ich nachprüfen kann wer sie gestern beraten hat musste ich verneinen und um das ganze ohne große ausschweife zu erklären sagte ich ihr "Ich war gestern leider nicht im Haus, sonst hätte ich das nachschauen können" Ihre Antwort fand ich fast schon niedlich. "Das hat man gemerkt, Sie helfen mir ja wenigstens. Es muss eben in jedem Laden einen netten Menschen geben, das scheinen heute Sie zu sein" Ich musste wirklich einen Moment inne halten als sie das sagte, ihr Ärger schien verflogen und ja.. die Callzeiten sind immernoch ein Problem aber hey.. ich kann nach meiner Schicht nachhause gehn und weiß, dass ich den Ärger in der Welt, wenn auch nur bei ein paar Kunden, erfolgreich bekämpft habe.... wir sind eben doch Callcenter-(Geheim)-Agenten.


Neben Kunden, die mit dir über Lizenzrechte sprechen wollen, bishin zu denen die sich erst Augentropfen in die Augen tun müssen um dann die Bestellnummern aus dem Prospekt zu suchen, natürlich alles wärend du am Telefon bist, erlebst du in deinem neuen Job echt einiges. Langweilig wird dir wirklich nur dann, wenn kein Anruf rein kommt. Jetzt arbeiten wir noch etwas mehr an unseren Zeiten, dann wird das auch.

An all die Callcenter-Superhelden da draußen: Macht weiter, ihr seid klasse!

An all die Telefonkunden da draußen: Wir brauchen Euch, geht mit einem Lächeln und guter Laune ans Telefon, bereitet Euch ein wenig vor, damit macht ihr einen Menschen mindestens so Glücklich wie er Euch zufrieden machen möchte.

In diesem Sinne :)

Bis Bald

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