Freitag, 11. September 2015
#2 Warum wir überhaupt hier sind...
Es gibt Momente im Leben einer Callcenter-Agentin, da stellt sie sich die Frage: Was mach ich hier eigentlich?

Es ist nicht diese Frage damit die gemeint, die den Job anzweifelt sondern die Anrufe, die dem Gesetz der selektiven Wahrnehmung folgend in Erinnerung bleiben.

Wie ja schon erklärt besteht Ihr Tag daraus Bestellungen entgegen zu nehmen, Auskünfte zu geben und hier und da noch einige Angebote zu machen die der Kunde zusätzlich kaufen kann. Nun ist es so: Kein Mensch ist wie der Andere. Zwar haben wir einen Leitfaden aber nicht immer ist es möglich sich daran zu halten.

- Neben Kunden, die Ihnen wirklich den letzten Nerv rauben und sie nach dem Gespräch ganz dringend einen Schluck aus der Kaffeetasse brauchen, gibt es aber auch diejenigen mit denen mach sich wirklich amüsieren kann.
Meist sind diese Kunden so unfreiwillig komisch, dass man sie so schnell nicht mehr vergisst. Leider gibt es eben auch die Anderen...


Zuerst dachte ich über eine Liste nach. Die Top 5 meiner Woche, oder die Top 3 des Tages. Leider ist es so, dass du an manchen Tagen mit "Tops" so überschüttet wirst, dass du Tageweise ganze Bücher füllen könntest und JEDER hat irgendwie das recht erwähnt zu werden. An anderen Tagen willst du nur die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.


Ich habe nun also die Notizen der letzten Tagen und Wochen rausgekramt und mir erst einmal die Markiert die mir in erinnerung geblieben waren. Die Geschichten sind nun für Außenstehende vielleicht eher die Kategorie "Naja.." Aber stellen Sie es sich bitte einfach einmal aus der Sicht der Stimme in ihrem Telefon vor... Vorab eine kleine Aufzählung von Informationen die man eigentlich eher selten bei einer Bestellung weiter gibt.

- Neben kurzen Kommentaren seitens der Kunden, die dir mitteilen, dass ihr Partner gelähmt im Bett liegt und deshalb die angebotene Hose nicht brauchen kann, bis hin zu Informationen über die Behandlung
ihrer Depressionen erfährt man so einiges. Das sind so die Momente wo ich mir denke ..´Okay... entweder muss diese Person ganz ganz dringend mit Fachpersonal reden, die er sicher nicht in der Hotline eines Versandhauses findet oder ich werd verarscht" ....oder beides... Auch das ist so ein Moment in dem ich gerne mal nach meiner Tasse greife, den Kopf versuche leer zu bekommen und dann das nächste Gespräch annehme. Da Ich nun schon Callcentererfahrung habe und auch schon schlimmeres erlebt habe als Bestellannahmen habe ich gelernt mit dem nächsten Klingeln das vorrangegangene abzuschütteln und neu zu beginnen. Also das Schlechte hinter mir zu lassen. Das kann aber nicht jeder.

Manchmal frage ich mich, was mit den Kunden los ist, sie rufen an, grüßen nicht, hauen dir ihre Kundennummer um die Ohren, dass du garnicht so schnell tippen kannst, andere nennen dir jede Zahl mit so großen Pausen dazwischen als wollten sie dir Zeit lassen zu jeder Nummer einen Reim zu schreiben.

Da stellt sich wieder die Frage von Anfang: Warum sind wir hier?.. Eiiigentlich ist die Frage ganz leicht zu beantworten: Um unsere Arbeit zu machen. Schwieriger wird es wenn wir beginnen Arbeit zu deffinieren. Ist es meine Arbeit Kunden möglichst viele Artikel anzubieten und sie in kürzester Zeit wieder aus der Leitung zu bekommen, oder ist es mein Job auf Kundenzufriedenheit zu bauen, mich zu bemühen dem Kunden mit seinem Anliegen zu helfen?.. Meist ist es ersteres.

Es ist ja so: Kennt man beide Seiten, also die des Kunden und die der Stimme im Telefon geht man anders mit den Menschen um, auch dazu soll mein Blog vielleicht ein wenig beitragen, damit die ein oder andere Kollegin oder Kollege nicht angeschnauzt wird und man ihr den Tag schwer macht. Es ist doch so, in den SELTENSTEN Fällen bekommen Sie die Person ans Telefon die sie zuletzt dran hatten. Ergo: Die Stimme die sie nun hören, bzw der dazugehörende Mensch mit dem sie sprechen....ja, tatsächlich... das sind Menschen.. keine Roboter oder Tonbandaufzeichnungen.. - muss sich alle 2,5 Minuten auf einen neuen Kunden einlassen, von dessen Anliegen er sich erst einmal ein Bild machen muss und bei jedem beginnt es gleich. Man braucht die Kundennummer oder Daten mit denen man auf das Konto zugreifen kann. Es sollte selbstverständlich sein, dass man sich diese Daten bereit gelegt hat. Schätzungsweise 20% (+-) sind völlig überrascht, dass man nach der Kundennummer fragt und sagen dir, dass sie sie garnicht da haben... Also sucht man sie raus. 1-3 mal am Tag werden mir bei der Postleitzahl die 4-Stelligen alten Nummern genannt -auch hier linse ich sehnsüchtig zu meiner Kaffeetasse.. und ja... ich trinke viel Kaffee...wundert keinen, oder?-

Ein kleiner Tipp von mir an dieser Stelle an all die Kunden die so gerne Telefonisch bestellen.

Tut es! Damit sichert ihr Arbeitsplätze und das Menschliche bleibt erhalten aber bitte... bitte bitte! Seid etwas nett zu der Stimme die da in der Hotline sitzt. Auch sie muss ihre Stunden abarbeiten, dann nachhause, erledigen was zu erledigen ist und hat sicher andere Pläne als den ganzen Tag nur angeschnauzt zu werden. Ein Lächeln und ein nettes Wort tun doch niemandem weg. "Vielen Dank für ihren Anruf, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag" sag ich zum Schluss, ein "Danke, ich ihnen auch" ist eine viel schönere Antwort als ein "Ja, Tschüss".

Aber eines ist sicher, sehr sicher: Auch heute Nacht fallen wir mit dem Ring-Ring in unseren Gedanken ins Bett und das schöne ist?... Morgen fängt der ganze Spaß von vorne an.




An dieser Stelle ein dickes DANKE an all die Freunde die den ersten Post so fleißig geteilt und gefeiert haben. Es freut mich, dass Ihr da draußen Euch für diese Stimme im Telefon interessiert und an unseren Geschichten Teil haben wollt. Macht weiter so, Ihr seid klasse!

Eure Kori

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