Donnerstag, 17. September 2015
#4 Was man so erlebt..
Manchmal gibt es Tage, da läuft es einfach.
Nette Kunden, schnell abzuwickelnde Anliegen etc..

Kunde rein, Kundennummer, Adresse abgleichen, Artikelnummern, Zusatz, Lieferzeit, Zahlungswunsch, verabschieden-> Fertig.

Eine Kundin verabschiedete sich mit den Worten: "Hoffendlich bekomme ich Sie wieder ans Telefon" :) Danke, das hoff ich auch.

Andere wiederum, ja genau die warum ich das hier schreibe, machen einen echt fertig.

Frau N. war mein Held des Tages. Sie beschwerte sich 4 Minuten lang darüber, dass ihr Paket noch immer nicht abgeholt wurde. Ich - ja noch neu- war etwas verwirrt. Wir bieten abholungen an? Laut ihrer Aussage, hat eine Kollegin die Abholung für sie in Auftrag gegeben. Nach Rücksprache mit Vorgesetzten kam dann raus... Nein... bieten wir nicht an. Erklär das mal dem Kunden. " Frau N. entschuldigen Sie bitte, aber wir bieten keine Abholungen an, das müssen Sie bitte bei der Post in Auftrag geben" Natürlich ist Kunde König, deshalb beschloß sie aufzulegen und mir vorher mitzuteilen, dass wir dann lange auf die Retoure warten können... Okay... innem Monat kommt dann die Mahnung weil du die Ware ja offensichtlich behalten hast... konnt ich ihr leider nicht mehr sagen...


Frau M. ließ mich wieder am Verstand der Kunden zweifeln. Wie ja schon erwähnt ist es sinnvoll seine Unterlagen beisammen zu haben und vorallem diese vor sich zu haben wenn man bestellt. Frau M. war anderer Meinung und als ich ihr mehrfach sagte, dass die Nummer so nicht stimmt und ich für den Gutschein die Nummer brauche legte sie das Telefon bei Seite und verschwand... 1 Minute... 2 Minuten... 3.... dann hörte ich etwas.. Nein.. war nur der Hund... 4 Minuten.. dann ein hektisches "Hallo? Hallo, sind sie noch dran?" schon von weitem. Ich habe dann erfahren, dass sie die Bestellkarte schon zum Kamin anzünden benutzt hat... sehr sinnvoll.. und das Prospekt erst aus dem Keller holen musste.. War natürlich n Zahlen dreher.. und 7 Minuten in der Leitung. Danke Frau M, vielen Dank für ihren Anruf... nicht.


Am gleichen Tag, sieben Anrufe später hatte ich Herrn B. in der Leitung. Sein Anliegen war einfach: eine Liefernachfrage. "Herr B., laut System sollte die Ware zugestellt werden, ist nun als ´Annahme Verweigert´wieder bei uns einge...." ich konnte meinen Satz nicht beenden.. Noch währen ich zu meiner Tasse linste brüllte er so laut ins Telefon, dass er seit 2 Wochen Urlaub hat nur um dieses Paket entgegen zu nehmen -Selbst schuld.. dacht ich mir- und er sehr wohl zuhause war und das übliche... Ja dann bitte bei der Post beschweren, dass der Paketbote nicht geklingelt hat, Paket hat zurück gehen lassen oder was weiß denn ich?.... Natürlich ist es unsere Schuld, wenn ein anderes Unternehmen Sch.....baut..
Meine Gedanken schwiffen kurz ab... wenn in zukunft der Pizzabote ne kalte Pizza bringt ruf ich auch an und plärr den Pizzabäcker an.. auch wenn sie heiß aus seinem Ofen kam.. aber hey! er wars! Ò.Ó


Frau M. hatte da andere Probleme. Während sie mir die Artikelnummern für Socken und Shirts ansagte erzählte sie mir mehr beiläufig von ihren Depressionen, der Behandlung und ihrem Aufenthalt in der Klinik. Es ist noch nicht gut, aber besser. Ahhja.... Gute Besserung Frau M... wenn es das war was sie hören wollten..


Frau Z. rief mich an und hatte ein ernsthaftes Problem. Auch wenn ich das offiziell nicht tue, sah ich auf ihrem Kundenkonto ein richtig dickes Plus, weshalb ich ihre Aufregung im ersten Moment nicht verstand. Dann meinte die Dame, Baujahr 1928, sie habe sich verklickt und versehendlich all ihr Haushaltsgeld an uns überwiesen.... sowas ist echt scheiße... vorallem wenn ausgerechnet dann niemand da ist zum weiterleiten und es sich ewig verzögert.... Man fühlt sich echt mies, wenn die Hände gebunden sind.


Herr F. hingegen hatte andere Sorgen. In seinem Paket lag ein Oberteil mit bei, das er nicht bestellt hatte. An der Artikelnummer sah ich, dass es einer der Artikel war, den wir zusätzlich anbieten. Viele Kunden scheinen einfach mal zuzustimmen und ne Woche später nicht mehr zu wissen, dass sie es bestellt haben... oder man hat auf den Artikel beraten und vergessen ihn zu löschen. Gut... wär jetzt kein Problem, Retoure aufkleber drauf und zurück. Nicht aber so Herr F.. Er möchte eine schriftliche Entschuldigung vom Unternehmen und natürlich wird er sein Kundenkonto löschen lassen, wenn diese nicht binnen einer Woche bei ihm ist.. Okay ich trags ein, kann ich sonst noch etwas tun? Nein... Naja.. Ich hätt das Shirt an seiner Stelle seiner Partnerin gezeigt, vllt hätts ihr gefallen...für 15,-

Andere Kunden, wie Frau J. sind sich da auch nicht sicher, erst heißt es ja, dann nein, dann wieder ja.. dann nein.. und mit einem "Legen sie eben etwas dazu, ich guck es mir an" legen sie auf. Auch an Sie. Danke

Frau R. bewies dabei humor. Von 20 Artikeln die sie bestellen wollte waren ganze 18 ausverkauft. Wann kommen die wieder rein?... gute Frage.. hast du noch eine?

Da es von solchen Ereignissen geradezu massenhaft gibt habe ich mir von denen, die ich als erzählenswert empfand kleine Notizen gemacht die ich hier nun auflisten möchte. Es sind kurze Gedanken, Zusammenfassungen und Vermutungen die ich nun einfach einmal aufschreibe um sie fest zuhalten.

Ich weiß nicht mehr ob Mann oder Frau am Telefon war, deshalb beschränke ich mich auf den Anfangsbuchstaben vom Familiennamen.

-S. hat eine Bestellkarte abgeschickt, die noch nicht bei uns eingegangen ist. Nun wollte man wissen, wann die Ware lieferbar ist.. Mein Hinweis, dass sich das binnen einer Stunde ändern könnte ignoriere man, so nannte ich die aktuelle lieferzeit.. man hätt auch einfach gleich telefonisch bestellen können...

-R. wusste die Kundennummer nicht, also wollte ich sie suchen, auch die PLZ war natürlich nicht bekannt. Nach 4 Minuten ging es dann ans Bestellen.... natürlich suchte man die Nummern erst JETZT raus..

-B. hatte für alles was ich angeboten habe eine gute Erklärung warum Sie diese sachen nicht will. - Ein ´nein danke´hätte auch gereicht- Statt dessen wurde man informiert, dass Sie im Rollstuhl sitze, deshalb die Pumps nicht braucht... kauft aber ein Kleid... ich meinte ja nur... und es ist nicht sehr clever zu erwähnen, dass man die Goldkette nicht braucht weil der Safe voll ist... schon garnicht wenn da jemand sitzt der deine Adresse hat.. warum sind die Leute so leichtsinnig?..

-Aber nicht immer sind die Kunden das Problem.. manchmal sind es ihre Verwandten... Frau S. ist mir da sehr in Erinnerung geblieben. An ihren Daten sah ich, die gute ist schon 90+ und erzählt mir dann sehr langsam und etwas holprig, dass sie einen Schlaganfall hatte und deshalb sprechen üben muss. 7 Minuten lang beschrieb ich ihr also wo sie die einzelnen Nummern findet, wieder und wieder.. und im Hintergrund? Arschloch von Ehemann! Statt ihr zu helfen wart er dumme Kommentare ein, die arme Frau den Tränen nahe.. ich hörte wie sich ihre Stimme veränderte als er rummaulte... Wir sind ja Callcenter-Agentinnen und auch in diesen Situationen gefragt.. also sprach ich ihr gut zu, dass wir das zusammen schon hin bekommen und sie nochmal gucken soll, da und da muss die Nummer stehen..Sie bedankte sich am Ende für die Hilfe... Ich hab zu danken, Frau S. für diese Erfahrung.


So... erst mal genug zu verdauen und verarbeiten.

Und wieder hören wir das Ring-Ring in unserem Kopf.. Auf Bald, Freunde. Gebt nicht auf da draußen und seid nett zu einander..

Eure Kori

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Freitag, 11. September 2015
#3 Kunden und ihre Anliegen
Das Geheimnisvolle an diesem kleinen viereckigen Kasten der sich Telefon nennt ist: du weißt nie was als Nächstes kommt.

Neben den Standartanrufen wie Bestellungen von gut organisierten Leuten, Liefernachfragen und Weiterleitungen gibt es aber eben auch die über die du nur den Kopf schüttelst.

Noch binnen meiner ersten vier Wochen hatte ich einige Kunden in der Leitung über die ich wahrhaftig den Kopf schütteln musste.

Herr S, zb fragte nach einer kostenlosen Telefonnummer, oder ob ich ihn zurückrufen könnte. Ich war im ersten Moment irritiert weil ich soetwas noch nicht gefragt wurde. Ihm waren wohl die 14 Cent/Min zu teuer. Als ich ihn darauf hinwies, dass ich weder eine andere Nummer habe die ich ihm geben könnte, noch ihn zurückrufen kann wurde er sauer.. klar.. wie solls auch anders sein. Er entschloß sich dann doch für die Bestellung eines Gegenstands für 9.99€ Natürlich nannte er mir noch eine Gutscheinnummer im wert von 10€. Es war ihm wohl nicht recht, dass ich ihm sagte, dass ich den Gutschein erst ab 40€ verrechnen kann. Rumfluchend legte er dann auf.. bevor ich ihm den Tipp geben konnte Online zu bestellen: da hätte er sich die Telefonkosten gespart und selbst gesehen, dass er den Gutschein nicht einlösen kann.


Frau S. hingegen rief wegen eines anderen Anliegens an. Ihre Cousine ist verstorben und das Kundenkonto muss gelöscht werden. Vorsichtig fragte ich also nach ihrem vollständigen Namen, den ich eintragen muss, Sterbedatum und Kontaktdaten fals Rückfragen bestehen. Da sie mir die im System hinterlegte Anschrift nannte, als ich die Adresse abglich war die Sache für mich klar. Ich schrieb also meine Notiz ins Notizfeld und hörte im Hintergrund eine alte Frau sprechen. Ich verstand ihre Worte nicht, aber die Reaktion der Cousine war.... überraschend. "Oh, das Konto läuft ja garnicht auf meine Cousine sondern auf ihre Mutter! Die Wohnten zusammen, dann ist alles gut. Danke, Tschüss!" Aufgelegt.... und du sitzt da und denkst... W...T...F... Gut.. mein Fehler, ich hätte den Vornamen abgleichen müssen.. aber hey! War mein erster Monat:/.. *murmel* Wer rechnet mit Sowas wenn n Kunde sagt: Es geht um die KdNr: XY, Frau P. ABS-Str X in YX ist verstorben" Aber gut... man hat daraus gelernt!


Jeder von uns kennt die Hinweise auf Produkten wie Haarfärbemittel, Salben, Make-Up etc etc... Dass man das Mittel erst an einer kleinen stelle auf der Haut testen soll um zu prüfen ob man es verträgt. 24h warten, wenn nichts gerötet ist, ist alles gut. Tut zwar keiner aber es steht drauf.

Auch Frau W. hat diese Notiz nicht gelesen und rief mich völlig aufgelöst an. Ob sie die Salbe zurück schicken könne und das Geld wieder bekommt. "Verbrauchbare Artikel sind vom Umtausch leider ausgeschloßen" ... Ich kenn das aus der Gastronomie.. Da wird das Steak bis auf ne Ecke aufgegessen und behauptet es wäre nicht ganz durch und man will ein Neues haben... Sry Freunde.. ist nicht..
Aber nicht so Frau W.. Um mir ihre Situation deutlich zu machen schluchzte Sie ins Telefon dass sie sich kaum mehr zu helfen weis und *zitat* Ich bin sterbenskrank geworden von der Salbe! *zitat ende* Aber gut. Wir sind ja Callcenter-Agentinnen und in allen Lebensfragen ihr Ansprechpartner. Also meine Empfehlung: Statt die Tube zurück zu schicken und auf die 7€ zu beharren erst mal zum Arzt und dem die Salbe zeigen, vielleicht ist sie allergisch auf einen Bestandteil oder was weiß denn ich... bin ja schließlich nicht der Arzt der hier nötig ist. Und dann! Ich kam mir vor wie Jesus persönlich! ( Sry an Alle die sich hier angegriffen fühlten aber es ist der beste Vergleich der mir einfallen will) -- Die Wunderheilung!-- Plötzlich! Wie von Geisterhand! War alles wieder gut. Frau W.´s Kommentar dazu: "Aaach .. so schlimm ist es dann doch nicht" Natürlich hat sie sich weder bedankt noch verabschiedet und mir auch keine gelegenheit zu Selbigem gelassen. Das schöne an solchen Kunden ist immer wieder aufs Neue, dass sie nach minutenlangen Verhandlungen recht zügig auflegen.


Neben Kunden die vom Firmenchef persönlich unterzeichnete Gratisgeschenke bekommen gibt es dann zwischen durch auch die, die sich für die Hilfe bedanken und manch einer fragt nach einer Durchwahl, um beim nächsten Anliegen gleich wieder bei dir raus zu kommen. Das ist Balsam für unsere geschundene Callcenter-Agentinnenseele. Danke an dieser Stelle an diese Kunden:) Ihr tut uns so gut. Macht weiter so! Nette Menschen braucht die Welt.

Aber wir wollen uns ja mal ein wegen über unsere Spezialkunden auslassen, also weiter im Text.


Auch eine Kundin die mir auf zweierlei Art im Gedächnis geblieben ist: Frau D.

Frau D. bestellt fröhlich und gut gelaunt einen schwarzen Blazer und die dazu passenden Schuhe und Hose. Eine Kette und eine blaue Handtasche. Wir - ja Modeexperten- empfehlen dazu ein marineblaues Shirt, das zusammen mit der Tasche eine schöne Kombination zum schwarzen Blazer geben würde. Und dann spüren wir regelrecht wie die Stimmung umschlägt. Mit tieftrauriger Stimme erzählt sie uns, dass ihre Tochter mit 55 verstorben ist und in 2 Wochen die Beisetzung ist, dafür braucht sie die Kleidung. Die Tasche bestellt sie für eine Freundin mit, mit der sie in 3 Wochen in Urlaub fährt. Und noch während wir die vorrangegangene Information verarbeiten, weil wir mitfühlende Menschen sind und daher verwirrt über den zweiten Teil ihrer Aussage fragt sie auch schon nach bunten Sommerkleidern die sie dann an ihrem Urlaubsziel tragen kann...... aaalles klar...

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#2 Warum wir überhaupt hier sind...
Es gibt Momente im Leben einer Callcenter-Agentin, da stellt sie sich die Frage: Was mach ich hier eigentlich?

Es ist nicht diese Frage damit die gemeint, die den Job anzweifelt sondern die Anrufe, die dem Gesetz der selektiven Wahrnehmung folgend in Erinnerung bleiben.

Wie ja schon erklärt besteht Ihr Tag daraus Bestellungen entgegen zu nehmen, Auskünfte zu geben und hier und da noch einige Angebote zu machen die der Kunde zusätzlich kaufen kann. Nun ist es so: Kein Mensch ist wie der Andere. Zwar haben wir einen Leitfaden aber nicht immer ist es möglich sich daran zu halten.

- Neben Kunden, die Ihnen wirklich den letzten Nerv rauben und sie nach dem Gespräch ganz dringend einen Schluck aus der Kaffeetasse brauchen, gibt es aber auch diejenigen mit denen mach sich wirklich amüsieren kann.
Meist sind diese Kunden so unfreiwillig komisch, dass man sie so schnell nicht mehr vergisst. Leider gibt es eben auch die Anderen...


Zuerst dachte ich über eine Liste nach. Die Top 5 meiner Woche, oder die Top 3 des Tages. Leider ist es so, dass du an manchen Tagen mit "Tops" so überschüttet wirst, dass du Tageweise ganze Bücher füllen könntest und JEDER hat irgendwie das recht erwähnt zu werden. An anderen Tagen willst du nur die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.


Ich habe nun also die Notizen der letzten Tagen und Wochen rausgekramt und mir erst einmal die Markiert die mir in erinnerung geblieben waren. Die Geschichten sind nun für Außenstehende vielleicht eher die Kategorie "Naja.." Aber stellen Sie es sich bitte einfach einmal aus der Sicht der Stimme in ihrem Telefon vor... Vorab eine kleine Aufzählung von Informationen die man eigentlich eher selten bei einer Bestellung weiter gibt.

- Neben kurzen Kommentaren seitens der Kunden, die dir mitteilen, dass ihr Partner gelähmt im Bett liegt und deshalb die angebotene Hose nicht brauchen kann, bis hin zu Informationen über die Behandlung
ihrer Depressionen erfährt man so einiges. Das sind so die Momente wo ich mir denke ..´Okay... entweder muss diese Person ganz ganz dringend mit Fachpersonal reden, die er sicher nicht in der Hotline eines Versandhauses findet oder ich werd verarscht" ....oder beides... Auch das ist so ein Moment in dem ich gerne mal nach meiner Tasse greife, den Kopf versuche leer zu bekommen und dann das nächste Gespräch annehme. Da Ich nun schon Callcentererfahrung habe und auch schon schlimmeres erlebt habe als Bestellannahmen habe ich gelernt mit dem nächsten Klingeln das vorrangegangene abzuschütteln und neu zu beginnen. Also das Schlechte hinter mir zu lassen. Das kann aber nicht jeder.

Manchmal frage ich mich, was mit den Kunden los ist, sie rufen an, grüßen nicht, hauen dir ihre Kundennummer um die Ohren, dass du garnicht so schnell tippen kannst, andere nennen dir jede Zahl mit so großen Pausen dazwischen als wollten sie dir Zeit lassen zu jeder Nummer einen Reim zu schreiben.

Da stellt sich wieder die Frage von Anfang: Warum sind wir hier?.. Eiiigentlich ist die Frage ganz leicht zu beantworten: Um unsere Arbeit zu machen. Schwieriger wird es wenn wir beginnen Arbeit zu deffinieren. Ist es meine Arbeit Kunden möglichst viele Artikel anzubieten und sie in kürzester Zeit wieder aus der Leitung zu bekommen, oder ist es mein Job auf Kundenzufriedenheit zu bauen, mich zu bemühen dem Kunden mit seinem Anliegen zu helfen?.. Meist ist es ersteres.

Es ist ja so: Kennt man beide Seiten, also die des Kunden und die der Stimme im Telefon geht man anders mit den Menschen um, auch dazu soll mein Blog vielleicht ein wenig beitragen, damit die ein oder andere Kollegin oder Kollege nicht angeschnauzt wird und man ihr den Tag schwer macht. Es ist doch so, in den SELTENSTEN Fällen bekommen Sie die Person ans Telefon die sie zuletzt dran hatten. Ergo: Die Stimme die sie nun hören, bzw der dazugehörende Mensch mit dem sie sprechen....ja, tatsächlich... das sind Menschen.. keine Roboter oder Tonbandaufzeichnungen.. - muss sich alle 2,5 Minuten auf einen neuen Kunden einlassen, von dessen Anliegen er sich erst einmal ein Bild machen muss und bei jedem beginnt es gleich. Man braucht die Kundennummer oder Daten mit denen man auf das Konto zugreifen kann. Es sollte selbstverständlich sein, dass man sich diese Daten bereit gelegt hat. Schätzungsweise 20% (+-) sind völlig überrascht, dass man nach der Kundennummer fragt und sagen dir, dass sie sie garnicht da haben... Also sucht man sie raus. 1-3 mal am Tag werden mir bei der Postleitzahl die 4-Stelligen alten Nummern genannt -auch hier linse ich sehnsüchtig zu meiner Kaffeetasse.. und ja... ich trinke viel Kaffee...wundert keinen, oder?-

Ein kleiner Tipp von mir an dieser Stelle an all die Kunden die so gerne Telefonisch bestellen.

Tut es! Damit sichert ihr Arbeitsplätze und das Menschliche bleibt erhalten aber bitte... bitte bitte! Seid etwas nett zu der Stimme die da in der Hotline sitzt. Auch sie muss ihre Stunden abarbeiten, dann nachhause, erledigen was zu erledigen ist und hat sicher andere Pläne als den ganzen Tag nur angeschnauzt zu werden. Ein Lächeln und ein nettes Wort tun doch niemandem weg. "Vielen Dank für ihren Anruf, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag" sag ich zum Schluss, ein "Danke, ich ihnen auch" ist eine viel schönere Antwort als ein "Ja, Tschüss".

Aber eines ist sicher, sehr sicher: Auch heute Nacht fallen wir mit dem Ring-Ring in unseren Gedanken ins Bett und das schöne ist?... Morgen fängt der ganze Spaß von vorne an.




An dieser Stelle ein dickes DANKE an all die Freunde die den ersten Post so fleißig geteilt und gefeiert haben. Es freut mich, dass Ihr da draußen Euch für diese Stimme im Telefon interessiert und an unseren Geschichten Teil haben wollt. Macht weiter so, Ihr seid klasse!

Eure Kori

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Mittwoch, 9. September 2015
#1 Eine neue Welt, hinter Schallschutz, Bildschirmen und Headsets
Wieso ich diesen Blog schreibe, fragen sich viele nun. Schließlich gibt es unzählige Telefonistinnen, Callcenter-Agentinnen und wie sie sich nennen möchten.

Ganz einfach: Zum einen, um die täglichen Erlebnisse zu verarbeiten und vielleicht auch mit der Welt zu teilen. Aber in erster Linie wohl um meine Gedanken fest zuhalten.

Aber gut, lasst uns beginnen.



HERZLICH WILLKOMMEN!

Sie haben es geschafft! SIE haben sich gegen mehr oder weniger unzählige Mitstreiter im Kampf um einen neuen Arbeitsplatz bewiesen und ihren Vertrag unterzeichnet. Sie dürfen sich nun ganz Stolz Telefo... Entschuldigung "Callcenter-Agentin" nennen.

Sie haben richtig Gehört. Call-Center-Agentin. Da kommt man sich doch gleich ganz wichtig vor.
Ihre Aufgaben sind: Die Bestellungen, Anfragen und Anliegen ihrer Kunden zu bearbeiten, natürlich zu deren Zufriedenheit. Neben der Bestellannahe heißt das auch, dass sie Lieferauskunft geben, Kontenauskunft, Beratung über Material und Beschaffenheit der Produkte und das ganz ohne die Ware jemals gesehen zu haben. Ihre Fähigkeiten werden auch in sozialen Fragen gefordert, beispielsweise wenn ein Kunde verzweifelt ist und nicht weis welche Größe er bestellen muss oder genau DIESEN Artiel schon in drei Tagen braucht.. und das obwohl er erst in vier Wochen lieferbar ist... aber gut. Dazu später mehr.

Sie betreten nun also an ihrem ersten Arbeitstag das Center, ein Lärmpegel schwappt ihnen entgegen der sich draußen vor der Tür nicht einmal hat erahnen lassen. Aber sie schaffen das! SIE sind Callcenter-Agentin! Genau, Agentin! Sie stellen sich schon in schicker Uniform vor, wie sie totaaal wichtig den Flur entlangschweben und ihre Kollegen sie mit Salut grüßen.. Aber nichts da. Erst einmal geht es zur Schulung. Und glauben Sie nicht, dass man sie wegen guter Noten eingestellt hat oder wegen Ihres überzeugenden Auftreten. Zuerst einmal wird jeder eingestellt der sich in halbwegs sicherem Hochdeutsch ausdrücken kann. Die ersten werden während der Schulung gehen, die andern werden nach und nach aussortiert.


Aber gut: Weiter zur Schulung, vorbei an ihren zukünftigen Kollegen, die angestrengt auf den Bildschirm starren und sich gegen die Flut von Anrufen durchzusetzen versuchen. Und schon wird die Tür hinter ihnen geschloßen. Vor ihnen breitet sich ein kleiner Raum aus, neun stühle, vier Bildschirme mit Mini-Pcs dahinter und ein Projektor, der ihnen unangenehm in die Augen leuchtet. Sie nehmen platz und warten auf die anderen Teilnehmer.
Man stellt sich vor, unterhällt sich kurz bis es los geht. Überwiegend haben Sie Studenten, Schüler und Frauen um sich, die wie Sie selbst noch etwas dazu verdienen wollen. Minijobber, 450€-Basis, Teilzeitkräfte. Nur die Wenigsten wagen es hier einen 8-Stunden Job zu beginnen.
Die Schulung, wie ihnen berichtet wird, wird zwei Wochen dauern.
Zwei Wochen in denen man Ihnen die Programme erklärt, Ihnen die Mandanten vorstellt für die sie telefonieren werden. Ja.. Mandanten... mehrzahl. Glaubten Sie, dass sie nur für ein Versandhaus arbeiten? Das wäre doch unproduktiv. Es sind neun. Machen Sie sich keine Sorgen, die Anderen schaffen das ja auch.. hoffendlich.

In regelmäßigen Abständen werden ihnen nun Vordrucke serviert, die sie zuhause nocheinmal durcharbeiten müssen und das Wichtigste: Der Leitfaden. SIE führen das Gespräch.. in der Theorie.. Lernen Sie den Leitfaden! Am besten so, dass sie ihn auswendig runter rattern können.

Schneller als sie sich versehen können sind vier Tage rum. Und morgen? Geht es ans Telefon. Was?? Es hieß doch zwei Wochen Schulung! Achja... sagten wir das? Damit ist natürlich auch die praktische Arbeit am Telefon gemeint... naaa super.

Also los! Stürzen wir uns in die Anruferflut. Natürlich haben wir den Leitfaden gelernt und uns Notizen gemacht um schnell darauf zugreifen zu können. Die liegen vor uns, zusammen mit einem Stift und einem Notizblock. Der Ordner mit all den wichtigen Infos ausgebreitet zu unserer Linken. Rechts von uns das Telefon mit all seinen Tasten und Funktionen, vor uns Bildschirm, Maus und Tastatur. Kann ja nichts mehr schief gehen.

Im Kopf gehen wir nochmal den Leitfaden durch:

- Einen schönen guten Tag, Versandhaus XY. Mein Name ist ....

Jetzt wird der Kunde sagen, dass er bestellen möchte.
-Gerne, Ihre Kundennummer bitte.

Der Kunde gibt die Nummer an, man tippt sie ein, gleicht die Adresse ab und nimmt die Artikel auf. Man bietet zwischendurch ein paar ausgesuchte Waren an, die dem Kunden vielleicht, vielleicht auch nicht, gefallen könnten, ebenso am Ende. Man nennt die Lieferzeit, bedankt sich und legt auf. ... Eh.. moment..Sie legen auf? Nein.. das macht der Kunde.. also warten bis er die Taste gefunden hat... Sie glauben nicht wie viele im Zeitalter von Smartphone verlernt haben auf den roten Knopf am Telefon zu drücken...


So und nicht anders läuft eine Bestellung ab... in der Theorie...
Als Alternative gibt es noch die Kunden die ihre Kundennummer nicht vorliegen haben, dazu haben wir aber unzählig Möglichkeiten das Konto rauszusuchen, Problematisch wird es, wenn der Kunde weder seine Kundennummer noch seine Postleitzahl weis. Und natürlich hat er sein Geburtsdatum auch nicht hinterlegt... Dann... ja dann tuts mir leid. Dann rufen Sie bitte wieder an wenn Sie mir Daten geben können nach denen ich suchen kann. Und gerade als man sich auf das Auflegen des Kunden vorbereitet findet er die Nummer doch... natürlich erst mal mit Zahlendreher.
Das ist schon realitätsnaher. Und Neukunden gibts ja auch noch.

Die Erste Woche ist geschafft. Sie haben einen ersten Eindruck von ihrem neuen Leben als Callcenter-Agentin gewinnen können und freuen sich schon auf die nächsten Schichten. Ach ja.. Sie erfahren immer erst den Tag zuvor wie sie arbeiten. Sie haben frei? Macht doch nichts, dann rufen Sie eben an und fragen nach. Ist doch alles kein Problem =)

Montag morgen: Sie haben das Wochenende damit verbracht nochmal all ihre Unterlagen durch zuarbeiten, Postits zu setzen, ihre Notizen auszubessern und zu erweitern und wieder und wieder den Leitfaden geübt. Den müssen sie einfach auswendig kennen.. ganz wichtig!

Im Gegensatz zu letzter Woche sitzt nun niemand mehr neben Ihnen. Hey! Sie sind schließlich schon geübt im Umgang mit den Kunden, also nur keine Sorge, sollte doch etwas sein können sie den Kunden ja um etwas Geduld bitten, nach vorne kommen und fragen. Doof nur, wenn diesen Plan mehrere Kollegen gleichzeitig haben und Sie anstehen müssen.

Die aufkommende Panik der ersten ein-zwei Wochen legt sich in den kommenden Tagen, sie werden sicherer im Programm, wissen genau wie eine Bestellung erfasst wird und können auch eine Lieferanfrage bearbeiten. Alles kein Problem!.. Fast...

In der Theorie ist es so: Alles was ums Konto geht leiten Sie weiter, also Guthaben- und Schuldenfragen, Fragen zu Ratenbeträgen, Fälligkeit und Änderungen der Zahlart. In der Praxis bekommen sie auf jede zweite Frage die Anweisung das Anliegen weiter zu leiten. Das heißt: Artikel beschädigt-> weiter leiten. Artikel unvollständig -> weiter leiten. Beschreibung fehlt -> weiter leiten... und so weiter und so weiter.

Nach und nach lernen Sie, dass sie viele der Dinge, statt sie weiter zu leiten bzw den Kunden zu vertrösten, dass gerade keine Leitung frei ist auch drucken können. Also das Anliegen im System notieren und zu den Kollegen schicken, die es bearbeiten können. Kunde raus aus der Leitung und der nächste rein.

Ach ja.. ich hab da etwas vergessen... für die Bearbeitung eines Telefonats, ganz egal welches Anliegen der Kunde hat, haben sie 160 Sekunden Zeit. Richtig. 160 Sekunden, das sind ~ 2 1/2 Minuten.
Bei einer simplen Bestellung a la: Meine Kundennummer 01234567, die Bestellnummer 98765432, in Größe XY un in größe YX. Das wars auch schon, danke. - Ist das kein Problem. Schwierig wird es wenn die Kundennummer erst gesucht werden muss und der Kunde (- Ist ja König) das Telefon zur Seite legt und erst mal im Prospekt blättert... und blättert... und du wartest, rufst nach ihm.. er ruft zurück, dass ers gleich hat... und so weiter... Aber ein Callcenter wäre ja kein Callcenter wenn es auf dieses Problem nicht angemessen reagieren würde.

Täglich hängen deine Gesprächzeiten, angebotene und angenommene Anrufen und so weiter aus. In dieser Liste kannst du nachschauen wie deine tägliche Durchschnittszeit war. An sich ein guter Plan. Du kannst mit den Anrufen die schnell abgearbeitet sind die die länger dauern ausgleichen.. In der Theorie.
Aber wir haben ja einen neuen Job! Also meckern wir nicht.

Am Abend fallen wir erst einmal erschöpft ins Bett und träumen von Kundennummern, Artikelnummern, Bestellgrößen, Liefernachfragen und mit dem sanften RING-RING in unserer Erinnerung schlafen wir ein...

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