Freitag, 11. September 2015
#3 Kunden und ihre Anliegen
Das Geheimnisvolle an diesem kleinen viereckigen Kasten der sich Telefon nennt ist: du weißt nie was als Nächstes kommt.

Neben den Standartanrufen wie Bestellungen von gut organisierten Leuten, Liefernachfragen und Weiterleitungen gibt es aber eben auch die über die du nur den Kopf schüttelst.

Noch binnen meiner ersten vier Wochen hatte ich einige Kunden in der Leitung über die ich wahrhaftig den Kopf schütteln musste.

Herr S, zb fragte nach einer kostenlosen Telefonnummer, oder ob ich ihn zurückrufen könnte. Ich war im ersten Moment irritiert weil ich soetwas noch nicht gefragt wurde. Ihm waren wohl die 14 Cent/Min zu teuer. Als ich ihn darauf hinwies, dass ich weder eine andere Nummer habe die ich ihm geben könnte, noch ihn zurückrufen kann wurde er sauer.. klar.. wie solls auch anders sein. Er entschloß sich dann doch für die Bestellung eines Gegenstands für 9.99€ Natürlich nannte er mir noch eine Gutscheinnummer im wert von 10€. Es war ihm wohl nicht recht, dass ich ihm sagte, dass ich den Gutschein erst ab 40€ verrechnen kann. Rumfluchend legte er dann auf.. bevor ich ihm den Tipp geben konnte Online zu bestellen: da hätte er sich die Telefonkosten gespart und selbst gesehen, dass er den Gutschein nicht einlösen kann.


Frau S. hingegen rief wegen eines anderen Anliegens an. Ihre Cousine ist verstorben und das Kundenkonto muss gelöscht werden. Vorsichtig fragte ich also nach ihrem vollständigen Namen, den ich eintragen muss, Sterbedatum und Kontaktdaten fals Rückfragen bestehen. Da sie mir die im System hinterlegte Anschrift nannte, als ich die Adresse abglich war die Sache für mich klar. Ich schrieb also meine Notiz ins Notizfeld und hörte im Hintergrund eine alte Frau sprechen. Ich verstand ihre Worte nicht, aber die Reaktion der Cousine war.... überraschend. "Oh, das Konto läuft ja garnicht auf meine Cousine sondern auf ihre Mutter! Die Wohnten zusammen, dann ist alles gut. Danke, Tschüss!" Aufgelegt.... und du sitzt da und denkst... W...T...F... Gut.. mein Fehler, ich hätte den Vornamen abgleichen müssen.. aber hey! War mein erster Monat:/.. *murmel* Wer rechnet mit Sowas wenn n Kunde sagt: Es geht um die KdNr: XY, Frau P. ABS-Str X in YX ist verstorben" Aber gut... man hat daraus gelernt!


Jeder von uns kennt die Hinweise auf Produkten wie Haarfärbemittel, Salben, Make-Up etc etc... Dass man das Mittel erst an einer kleinen stelle auf der Haut testen soll um zu prüfen ob man es verträgt. 24h warten, wenn nichts gerötet ist, ist alles gut. Tut zwar keiner aber es steht drauf.

Auch Frau W. hat diese Notiz nicht gelesen und rief mich völlig aufgelöst an. Ob sie die Salbe zurück schicken könne und das Geld wieder bekommt. "Verbrauchbare Artikel sind vom Umtausch leider ausgeschloßen" ... Ich kenn das aus der Gastronomie.. Da wird das Steak bis auf ne Ecke aufgegessen und behauptet es wäre nicht ganz durch und man will ein Neues haben... Sry Freunde.. ist nicht..
Aber nicht so Frau W.. Um mir ihre Situation deutlich zu machen schluchzte Sie ins Telefon dass sie sich kaum mehr zu helfen weis und *zitat* Ich bin sterbenskrank geworden von der Salbe! *zitat ende* Aber gut. Wir sind ja Callcenter-Agentinnen und in allen Lebensfragen ihr Ansprechpartner. Also meine Empfehlung: Statt die Tube zurück zu schicken und auf die 7€ zu beharren erst mal zum Arzt und dem die Salbe zeigen, vielleicht ist sie allergisch auf einen Bestandteil oder was weiß denn ich... bin ja schließlich nicht der Arzt der hier nötig ist. Und dann! Ich kam mir vor wie Jesus persönlich! ( Sry an Alle die sich hier angegriffen fühlten aber es ist der beste Vergleich der mir einfallen will) -- Die Wunderheilung!-- Plötzlich! Wie von Geisterhand! War alles wieder gut. Frau W.´s Kommentar dazu: "Aaach .. so schlimm ist es dann doch nicht" Natürlich hat sie sich weder bedankt noch verabschiedet und mir auch keine gelegenheit zu Selbigem gelassen. Das schöne an solchen Kunden ist immer wieder aufs Neue, dass sie nach minutenlangen Verhandlungen recht zügig auflegen.


Neben Kunden die vom Firmenchef persönlich unterzeichnete Gratisgeschenke bekommen gibt es dann zwischen durch auch die, die sich für die Hilfe bedanken und manch einer fragt nach einer Durchwahl, um beim nächsten Anliegen gleich wieder bei dir raus zu kommen. Das ist Balsam für unsere geschundene Callcenter-Agentinnenseele. Danke an dieser Stelle an diese Kunden:) Ihr tut uns so gut. Macht weiter so! Nette Menschen braucht die Welt.

Aber wir wollen uns ja mal ein wegen über unsere Spezialkunden auslassen, also weiter im Text.


Auch eine Kundin die mir auf zweierlei Art im Gedächnis geblieben ist: Frau D.

Frau D. bestellt fröhlich und gut gelaunt einen schwarzen Blazer und die dazu passenden Schuhe und Hose. Eine Kette und eine blaue Handtasche. Wir - ja Modeexperten- empfehlen dazu ein marineblaues Shirt, das zusammen mit der Tasche eine schöne Kombination zum schwarzen Blazer geben würde. Und dann spüren wir regelrecht wie die Stimmung umschlägt. Mit tieftrauriger Stimme erzählt sie uns, dass ihre Tochter mit 55 verstorben ist und in 2 Wochen die Beisetzung ist, dafür braucht sie die Kleidung. Die Tasche bestellt sie für eine Freundin mit, mit der sie in 3 Wochen in Urlaub fährt. Und noch während wir die vorrangegangene Information verarbeiten, weil wir mitfühlende Menschen sind und daher verwirrt über den zweiten Teil ihrer Aussage fragt sie auch schon nach bunten Sommerkleidern die sie dann an ihrem Urlaubsziel tragen kann...... aaalles klar...

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#2 Warum wir überhaupt hier sind...
Es gibt Momente im Leben einer Callcenter-Agentin, da stellt sie sich die Frage: Was mach ich hier eigentlich?

Es ist nicht diese Frage damit die gemeint, die den Job anzweifelt sondern die Anrufe, die dem Gesetz der selektiven Wahrnehmung folgend in Erinnerung bleiben.

Wie ja schon erklärt besteht Ihr Tag daraus Bestellungen entgegen zu nehmen, Auskünfte zu geben und hier und da noch einige Angebote zu machen die der Kunde zusätzlich kaufen kann. Nun ist es so: Kein Mensch ist wie der Andere. Zwar haben wir einen Leitfaden aber nicht immer ist es möglich sich daran zu halten.

- Neben Kunden, die Ihnen wirklich den letzten Nerv rauben und sie nach dem Gespräch ganz dringend einen Schluck aus der Kaffeetasse brauchen, gibt es aber auch diejenigen mit denen mach sich wirklich amüsieren kann.
Meist sind diese Kunden so unfreiwillig komisch, dass man sie so schnell nicht mehr vergisst. Leider gibt es eben auch die Anderen...


Zuerst dachte ich über eine Liste nach. Die Top 5 meiner Woche, oder die Top 3 des Tages. Leider ist es so, dass du an manchen Tagen mit "Tops" so überschüttet wirst, dass du Tageweise ganze Bücher füllen könntest und JEDER hat irgendwie das recht erwähnt zu werden. An anderen Tagen willst du nur die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.


Ich habe nun also die Notizen der letzten Tagen und Wochen rausgekramt und mir erst einmal die Markiert die mir in erinnerung geblieben waren. Die Geschichten sind nun für Außenstehende vielleicht eher die Kategorie "Naja.." Aber stellen Sie es sich bitte einfach einmal aus der Sicht der Stimme in ihrem Telefon vor... Vorab eine kleine Aufzählung von Informationen die man eigentlich eher selten bei einer Bestellung weiter gibt.

- Neben kurzen Kommentaren seitens der Kunden, die dir mitteilen, dass ihr Partner gelähmt im Bett liegt und deshalb die angebotene Hose nicht brauchen kann, bis hin zu Informationen über die Behandlung
ihrer Depressionen erfährt man so einiges. Das sind so die Momente wo ich mir denke ..´Okay... entweder muss diese Person ganz ganz dringend mit Fachpersonal reden, die er sicher nicht in der Hotline eines Versandhauses findet oder ich werd verarscht" ....oder beides... Auch das ist so ein Moment in dem ich gerne mal nach meiner Tasse greife, den Kopf versuche leer zu bekommen und dann das nächste Gespräch annehme. Da Ich nun schon Callcentererfahrung habe und auch schon schlimmeres erlebt habe als Bestellannahmen habe ich gelernt mit dem nächsten Klingeln das vorrangegangene abzuschütteln und neu zu beginnen. Also das Schlechte hinter mir zu lassen. Das kann aber nicht jeder.

Manchmal frage ich mich, was mit den Kunden los ist, sie rufen an, grüßen nicht, hauen dir ihre Kundennummer um die Ohren, dass du garnicht so schnell tippen kannst, andere nennen dir jede Zahl mit so großen Pausen dazwischen als wollten sie dir Zeit lassen zu jeder Nummer einen Reim zu schreiben.

Da stellt sich wieder die Frage von Anfang: Warum sind wir hier?.. Eiiigentlich ist die Frage ganz leicht zu beantworten: Um unsere Arbeit zu machen. Schwieriger wird es wenn wir beginnen Arbeit zu deffinieren. Ist es meine Arbeit Kunden möglichst viele Artikel anzubieten und sie in kürzester Zeit wieder aus der Leitung zu bekommen, oder ist es mein Job auf Kundenzufriedenheit zu bauen, mich zu bemühen dem Kunden mit seinem Anliegen zu helfen?.. Meist ist es ersteres.

Es ist ja so: Kennt man beide Seiten, also die des Kunden und die der Stimme im Telefon geht man anders mit den Menschen um, auch dazu soll mein Blog vielleicht ein wenig beitragen, damit die ein oder andere Kollegin oder Kollege nicht angeschnauzt wird und man ihr den Tag schwer macht. Es ist doch so, in den SELTENSTEN Fällen bekommen Sie die Person ans Telefon die sie zuletzt dran hatten. Ergo: Die Stimme die sie nun hören, bzw der dazugehörende Mensch mit dem sie sprechen....ja, tatsächlich... das sind Menschen.. keine Roboter oder Tonbandaufzeichnungen.. - muss sich alle 2,5 Minuten auf einen neuen Kunden einlassen, von dessen Anliegen er sich erst einmal ein Bild machen muss und bei jedem beginnt es gleich. Man braucht die Kundennummer oder Daten mit denen man auf das Konto zugreifen kann. Es sollte selbstverständlich sein, dass man sich diese Daten bereit gelegt hat. Schätzungsweise 20% (+-) sind völlig überrascht, dass man nach der Kundennummer fragt und sagen dir, dass sie sie garnicht da haben... Also sucht man sie raus. 1-3 mal am Tag werden mir bei der Postleitzahl die 4-Stelligen alten Nummern genannt -auch hier linse ich sehnsüchtig zu meiner Kaffeetasse.. und ja... ich trinke viel Kaffee...wundert keinen, oder?-

Ein kleiner Tipp von mir an dieser Stelle an all die Kunden die so gerne Telefonisch bestellen.

Tut es! Damit sichert ihr Arbeitsplätze und das Menschliche bleibt erhalten aber bitte... bitte bitte! Seid etwas nett zu der Stimme die da in der Hotline sitzt. Auch sie muss ihre Stunden abarbeiten, dann nachhause, erledigen was zu erledigen ist und hat sicher andere Pläne als den ganzen Tag nur angeschnauzt zu werden. Ein Lächeln und ein nettes Wort tun doch niemandem weg. "Vielen Dank für ihren Anruf, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag" sag ich zum Schluss, ein "Danke, ich ihnen auch" ist eine viel schönere Antwort als ein "Ja, Tschüss".

Aber eines ist sicher, sehr sicher: Auch heute Nacht fallen wir mit dem Ring-Ring in unseren Gedanken ins Bett und das schöne ist?... Morgen fängt der ganze Spaß von vorne an.




An dieser Stelle ein dickes DANKE an all die Freunde die den ersten Post so fleißig geteilt und gefeiert haben. Es freut mich, dass Ihr da draußen Euch für diese Stimme im Telefon interessiert und an unseren Geschichten Teil haben wollt. Macht weiter so, Ihr seid klasse!

Eure Kori

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